Abschiebung einer 70-jährigen Êzîdin nach Litauen stoppen! Frau aus Abschiebegefängnis Ingelheim freilassen!

Gemeinsame Presseinformation vom Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz e.V. und dem Abschiebungsreporting NRW

[Mainz/ Köln]

Der Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz und das Abschiebungsreporting NRW fordern das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Landkreis Altenkirchen auf, die offenbar für Montag, 10. Juni 2024 geplante Abschiebung einer 70-jährigen vulnerablen Êzîdin aus dem Irak nach Litauen umgehend zu stoppen und ein nationales Asylverfahren in Deutschland einzuleiten. Außerdem muss die seit über zwei Wochen im Abschiebegefängnis Ingelheim inhaftierte Frau umgehend freigelassen werden, um von ihren Familienangehörigen in Nordrhein-Westfalen begleitet und betreut werden zu dürfen.

Während die rheinland-pfälzische Landesregierung in Anerkenntnis der anzunehmenden Unzumutbarkeit der Rückkehr in den früheren Verfolgerstaat Irak und ein Jahr nach der Anerkennung des Völkermordes an den Êzîd:innen im Irak durch den Deutschen Bundestag die Abschiebungen von êzîdischen Frauen und Minderjährigen dorthin per Erlass für einige Monate gestoppt hat, wollen die beteiligten Behörden die vulnerable Frau, die Analphabetin ist, auf Grundlage der Dublin III-Verordnung alleine nach Litauen abschieben, damit diese dort ihr Asylverfahren betreibt. Ihre Kinder und Enkelkinder – davon sind einige bereits eingebürgert – leben in Deutschland, auch in Nordrhein-Westfalen.

Der Landkreis Altenkirchen ließ die Frau zur Vorbereitung der Abschiebung bei einem geplanten Termin am 23. Mai 2024, dem 75. Jahrestag des Grundgesetzes, in ihrer Ausländerbehörde festnehmen, dem Amtsgericht Koblenz vorführen und lässt sie seither im Abschiebegefängnis Ingelheim inhaftieren. Für das Asylverfahren wurde sie dem Bundesland Rheinland-Pfalz und dem Landkreis Altenkirchen zugewiesen. Engste Verwandte der Frau, Kinder und Enkelkinder leben im nordrhein-westfälischen Hamm. Dort will die Familie die Seniorin auch begleiten und betreuen, damit sie sicher und im Kreis der Familie ihren Lebensabend verbringen kann.

Annika Kristeit, Flüchtlingrat RLP e.V.:

„Es ist ein Skandal, dass eine 70-jährige herzkranke und pflegebedürftige Seniorin seit zwei Wochen in Abschiebungshaft ist und durch die drohende Abschiebung von ihrer Familie getrennt wird, auf deren Pflege sie angewiesen ist. Einen Alltag ohne die Unterstützung ihrer Familie wird sie in Litauen nicht bewältigen können.“

Sebastian Rose, Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., kommentiert:

„Während ganz Deutschland in diesen Tagen wieder einmal eine unsachliche Abschiebedebatte erlebt, die die Menschenrechte hinten anstellt, soll eine vulnerable Seniorin von ihrer Familie getrennt und alleine nach Litauen abgeschoben werden, obwohl sie in Nordrhein-Westfalen im Kreis ihrer Familie gut versorgt werden kann. Dies ist gänzlich unmenschlich und familienfeindlich. Es zeigt sich damit auch erneut, wie Abschiebungen besonders auch alte und vulnerable Menschen treffen. Die geplante Festnahme der 70-jährigen êzîdischen Kurdin bei einem Behördenbesuch zeigt das hässliche Gesicht einer deutschen Ausländerbehörde.“

Kontakt:

Flüchtlingsrat RLP e.V., Mainz
Annika Kristeit
Telefon: 06131/4924734
E-Mail: info (at) fluechtlingsrat-rlp.de
https://fluechtlingsrat-rlp.de/

Abschiebungsreporting NRW
Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln
Sebastian Rose
Telefon 0221 / 972 69 32
Mobil 01575 / 40 35 862
E-Mail: rose (at) abschiebungsreporting.de
www.abschiebungsreporting.de

Hintergrund:
Die Abschiebung der 70-jährigen Seniorin soll nach Kenntnis der zeichnenden Organisationen am Mo., 10. Juni 2024 vormittags mit einem Linienflug vom Flughafen Frankfurt am Main nach Vilnius, Litauen erfolgen.

Hintergrund Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz e.V.:
Der Flüchtlingsrat RLP e.V. ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich mit Flüchtlingen und Migrant:innen solidarisiert und sich für die Rechte von Flüchtlingen und Migrant:innen stark macht. Er arbeitet überparteilich. Der Flüchtlingsrat RLP e.V. ist Mitglied bei der Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge PRO ASYL und arbeitet mit den Flüchtlingsräten der anderen Bundesländer zusammen.


Hintergrund Abschiebungsreporting NRW:
Das Projekt „Abschiebungsreporting NRW“ hat im August 2021 seine Arbeit aufgenommen. Die Dokumentationsstelle macht besonders inhumane Aspekte der Abschiebungspraxis an Einzelfällen öffentlich und nimmt besondere Härten bei Abschiebungen in den Blick. Die Perspektive der Betroffenen steht dabei im Mittelpunkt. Mehr Informationen finden Sie hier. Träger des Projektes ist das Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. mit Sitz in Köln.

Ende Mai 2024 hat das Abschiebungsreporting NRW gemeinsam mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. ein Buch herausgegeben, das kostenlos als pdf zur Verfügung steht:
Sebastian Rose/Sascha Schießl, Abschiebungen in Nordrhein-Westfalen. Ausgrenzung. Entrechtung. Widerstände, Köln 2024. Herausgegeben von Abschiebungsreporting NRW & Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V.